'einfach' ist nicht einfach einfach
Die Sehnsucht nach der Einfachheit und ihre Folgen
Wer schon einmal die Ernüchterung über Grossartiges und Gewaltiges aber irgendwie doch nicht Erfüllendes oder gar eigentlich Scheiterndes wenn nicht gar schon Gescheitertes erfahren hat, erinnert sich vermutlich auch an die scheinbare Einsicht in die 'reinigende' und heilende Kraft des 'Einfachen' und an das sich dem Schmerz über die Enttäuschung anschmiegende, gesteigerte Interesse für Verheissungen der 'Einfachheit' aller Art.
Die Gefahr ist gross, im Schmerz oder in der Empörung über die blosse Scheinbarkeit des Grossen bzw. für gross Gehaltenen das Antidot 'Einfachheit' statt als Heilmittel quasi als Grundnahrungsmittel einzuverleiben, mit für Heilmittelmissbrauch typischen Folgen, wie etwa zwanghafter Wiederholung des Versuchs, die Wirklichkeit quasi in stapelbare Würfel zu verpacken (Rationalisierung, Dogmatisierung), nach dem Motto ;"Wenn nur einmal all' das Komplizierte wie Kreise, Zylinder, Kegel und Kugeln nicht mehr ist, keine Geltung mehr haben und keine Macht mehr üben darf, wird Alles ganz einfach und entsprechend gut'.
Der Versuch, die Wirklichkeit in stapelbare Kuben zu pressen und zu verpacken ist allerdings der schlimmste denkbare Fall missverstandener Einfachheit. Dieser titt immerhin oft genug ein, ist aber glücklicherweise immer von nur vorübergehender Dauer und versaut in seinem Einflussbereich das Leben von höchstens drei Generationen.
Die Verbildlichung (Idealisierung) des Einfachen und die daraus entstehenden Irrtümer
Die plakativen Bilder, mit welchen die Propagandisten der 'Einfachheit' ihre Kantonements- und Quarantänenideologie 'Einfachheit' erklären und deren Heilsamkeit begründen, sind : 'Entschlackung', 'Entrümpelung', 'Befreiung von unnötigem Beiwerk und Ballast', 'Transparenz', 'niedrige Aufbauten', 'keine Extravaganzen' (flat tax, flat rate') etc., wobei natürlich viele der so Angesprochenen naiv das 'Einfache' beispielsweise mit dem Seichten verwechseln und das Grobe mit dem Optimierten, das Uniforme und Monologe, Monotrope mit Transparenz.
So - vorallem kollektiv - in Gang gebrachte oder geratene 'Vereinfachung' missrät zu Kahlschlägen, wie sie sog. 'Kulturrevolutionen' überall auf der Welt eigen sind. Dieser Prozess kann aber auch in Idividuen von diesen selbst als Überreaktion auf die Misserfolge vorangegangener Selbstüberforderung ausgelöst werden und ablaufen (Burnout, Resignation).
Die Neigung, das Einfache mit dem auf den ersten, spätestens auf den dritten Blick Über- bzw. Durchschaubare gleichzusetzen, ist nachvollziehbar und in verhängnisvoller Weise nur halbwahr. Das leicht Über- bzw. Durchschaubare ist ein besonders gefälliges und entsprechend leicht einleuchtendes (plausibles) Beispiel für das Einfache, ist aber ein eigentlich atypischer Sonderfall, wenn nicht gar ein nur scheinbarer Fall des Einfachen. Man begnügt sich nämlich für das Begreifen von Einfachheit mit den Kriterien der Über- und Durchschaubarkeit mit statisch (bzw. momentan statistisch) erfassten Zuständen bzw. Zustandsmerkmalen oder -grössen, nicht mit den dynamischen Prozessen, die die erfassten Zustände bedingen oder ihnenzusetzen.
Einfachheit wird ja gern in der Nachbarschaft oder Verschwisterung mit Ruhe gesehen und idealisiert - und Vieles, was über Ruhe - und deren Spannung zur Stille - zu sagen wäre, entspricht in mancher Hinsicht dem zum Wesen der Einfachheit zu Erwägenden und hängt damit zusammen.
Einfachheit ist nicht eine Frage der Über- und Durchblickbarkeit, sondern eine Frage des Gleichgewichts bzw. der Gleichgewichte, die sie (die Einfachheit) ermöglichen und erhalten.
Einfachheit steht und fällt mit dem Gleichgewicht, das sie ermöglicht und erhält. Das ist aber erst eine theoretische Aussage über eine ideale Einfachheit und sie gilt für die Absenz jeglicher Dynamik und anderer Gleichgewicht an sich störender Faktoren. Sie geht ferner davon aus, dass 'Einfachheit' in nahezu göttlicher Weise ewig und einzig sei. In Wirklichkeit stehen viele Arten von 'Einfachheit' zu einander in Konkurrenz und der Überblick über alle Arten des 'Einfachen' und über die möglichen Konflikte zwischen ihnen ist ausgerechnet alles andere als einfach.
'Einfachheit' fordert genauso ihre Tribute wie das angeblich 'viel zu Komplizierte'
'Einfachheit' wird immer erzwungen - entweder durch Beschränkung der Ansprüche oder durch zusätzlichen Aufwand.
Man nehme das Beispiel einer Bibliothek. Bei einem Stand von 10 Einheiten genügen dafür ein kleines Regal. Bei nur einem Benutzer bdearf es dazu weder eines Katalogs noch irgend einer Administration. Das ist wirklich überschaubar und entsprechend einfach - vorausgesetzt, der Platz für das Regal, die Werkzeuge für die Montage und auch das Geld dafür usf. seien vorhanden. Also schon bei harmlos erscheinenden Grundannahmen wird deutlich, dass 'Einfachheit' in der Regel auf Voraussetzungen sezt und gründet, deren Erfüllung als selbstverständlich vorausegesetzt wird und nicht danach fragt, wessen denn alles die Erfüllung dieser Voraussetzungen bedürfe. Genau für die Erfüllung der Voraussetzungen, worauf gepriesene 'Einfachheit' sich selbstgefällig gründet, interessieren sich die Propheten der 'Einfachheit' einfach nicht.
Schon bei zwei Benutzern der zum Modell genommenen Minibibliothek wird's ein bisschen komplizierter, wenn sie, wie es dem bisher einzigen Benutzer ohne weiteres möglich war, in keinem Augenblick den Überblick über alle Bücher verlieren wollen, d. h., von allen 10 Büchern immer genau wissen wollen, wo denn anderswo diejenigen, die gegenwärtig dem Regal entnommen sind, sich genau befinden. Wollen die beiden Benutzer das, braucht es die Einrichtung einer diesbezüglichen Verständigung darüber, etwa die Nachführung einer Liste, in der notiert wird, wo sich die Bücher befinden, die momentan nicht auf dem Regal stehen, evt. sogar, wann das Buch wieder auf das Regal zurückgestellt sein wird. Also, es wird entweder auf den Komfort verzichtet, den ein alleiniger Benutzer für sich geniessen kann oder die Beanspruchung der Bibliothek bleibt auf einen einzigen Benutzer beschränkt, oder sie wird turnusgemäss, abwechselnd je ausschliesslich einem der beiden Benutzer vorbehalten, oder es wird eine kleine Administration eingerichtet(was aber bereits den Aufwand einer entsprechenden Einigung und eine ebenfalls als Aufwand zu rechnende Disziplin und/oder Kontrolle erfordert).
Spielend kann mit diesem Modell die Zahl der Bücher, die Zahl der Benutzer und dann beides stufenweise gesteigert und gefolgert werden, wie einerseits die scheinbare Einheit der Idealvorstellung von 'Einfachheit' sich unter den verschiedenen Rollen und Mitwirkenden der inszenierten Bibliothek verästelt und wie Einfachheitsmodelle miteinander in Konkurrenz oder gar in Konflikt geraten. Wo immer 'Einfachheit' gepriesen oder gefordert wird, muss die Frage gestellt werden : 'Einfacher? - Für wen?'
Man kann durchspielen, wie wo und wann von wem entweder Verzicht geleistet oder Mehraufwand betrieben werden muss, damit das Ganze für alle Betroffenen einigermassen gleich 'einfach' bleibt. Man kann beobachten, wie mit dem Anwachsen der Bibliothek Komplikationen aktuell werden, die bei der kleineren in früheren Entwicklungsstadien kein Thema waren. Man wird früher oder später zum Punkt gelangen, wo Einfachheit für die Einen durch Bewältigung des Komplizierten durch die zu ganau dazu Fähigen und Willigen gewährleistet werden muss. Das erlebt man heute im Massstab 1:1 mit der Allgegenwart der IT und CT (Informations und Steuerungstechnik). Man erfährt dabei, wie sehr manche Vereinfachung durch extreme Abhängigkeit von den Spezialisten für das Komplizierte erkauft werden muss und erkauft wird. Das ist der kritische Punkt, wo das die Einfachheit gewährleistende Gleichgewicht gestört werden kann. (Dem Ideal wirklicher Einfachheit und wirklicher Kostenwahrheit sind ähnliche Abgrenzungsprobleme gemein).
Beschränkung auf das Überschaubare bedeutet nicht ohne weiteres einfachere i.S. von 'leichter fallende' Regulierung der Gleichgewichte.
Zur Illustration ein von jedermann nachvollziehbares Experimentchen. Es ist einfacher (aber nicht eigentlich leichter), einen langen und schweren Stock
als ein Streichholz aufrechtgestellt auf der Fingerspitze zu balancieren. Für das Streichholz bedürfte es einer Sensibilität, die kleinste Gewichtsverlagerungen wahrnimmt und die Reaktionen darauf feinstmotorisch steuert.
Gerade die Prediger von 'Einfachheit' hegen grosse Abneigungen gegen feinsinnige Unterscheidungen. Sie bevorzugen Befestigung oder dann Automatisierung vor nuancierender Balance, nennen das aber der Einfachheit halber und aus Abneigung gegen Nuancierung bzw. gegen 'Spitzfindigkeit' (Balance!) 'Sicherheit'. (In der Vorstellung, wo sich nichts unerwartet und unkontrolliert bewege, sich Sicherheit hergestellt).
Die Balance des grossen Stocks erfordert dafür mehr Kraft. Die 'einfache' Folgerung, je grösser der Stock, desto einfacher die Anforderung, ihn in Balance zu halten, ist nur beschränkt gültig. Ab einer bestimmten Grösse wird nämlich der Stock zu schwer. Anstelle des Problems mit der Sensorik und Motorik tritt das nicht minder schwierige Problem der Kraft.
In Wahrheit hängt eben die Balancierbarkeit nicht vor allem vom Gewicht ab, sondern von den Fähigkeiten, die das Verteilen von Gewicht bzw. Last (eben auch in übertragenem Sinne) erfordert. 'Einfachheit' setzt das Erkennen der Grenzen des Möglichen und die Fähigkeit, sich diesen Grenzen entlang zu bewegen, voraus. Und genau diese Aufgabe der Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen ist mit schüttelreimenden Faustregeln gerade nicht zu bewältigen.
Der Wunsch nach 'Einfachheit' ist im Grunde immer der Wunsch danach, von der Wirklichkeit geschont zu werden, wo einem die Grenzen, ihr standzuhalten, bewusst werden.
Darum gibt es geade die ewig einzige, auf einen gemeinsamen bzw. 'einfachen' Nenner reduzierbare Einfachheit nicht, schon gar nicht als Patentrezept.
Die für die Wirklichkeit zuständigen Kräfte bedauern, den auf Vereinfachung Hoffenden keinen positiven Bericht geben zu können.
Wer schon einmal die Ernüchterung über Grossartiges und Gewaltiges aber irgendwie doch nicht Erfüllendes oder gar eigentlich Scheiterndes wenn nicht gar schon Gescheitertes erfahren hat, erinnert sich vermutlich auch an die scheinbare Einsicht in die 'reinigende' und heilende Kraft des 'Einfachen' und an das sich dem Schmerz über die Enttäuschung anschmiegende, gesteigerte Interesse für Verheissungen der 'Einfachheit' aller Art.
Die Gefahr ist gross, im Schmerz oder in der Empörung über die blosse Scheinbarkeit des Grossen bzw. für gross Gehaltenen das Antidot 'Einfachheit' statt als Heilmittel quasi als Grundnahrungsmittel einzuverleiben, mit für Heilmittelmissbrauch typischen Folgen, wie etwa zwanghafter Wiederholung des Versuchs, die Wirklichkeit quasi in stapelbare Würfel zu verpacken (Rationalisierung, Dogmatisierung), nach dem Motto ;"Wenn nur einmal all' das Komplizierte wie Kreise, Zylinder, Kegel und Kugeln nicht mehr ist, keine Geltung mehr haben und keine Macht mehr üben darf, wird Alles ganz einfach und entsprechend gut'.
Der Versuch, die Wirklichkeit in stapelbare Kuben zu pressen und zu verpacken ist allerdings der schlimmste denkbare Fall missverstandener Einfachheit. Dieser titt immerhin oft genug ein, ist aber glücklicherweise immer von nur vorübergehender Dauer und versaut in seinem Einflussbereich das Leben von höchstens drei Generationen.
Die Verbildlichung (Idealisierung) des Einfachen und die daraus entstehenden Irrtümer
Die plakativen Bilder, mit welchen die Propagandisten der 'Einfachheit' ihre Kantonements- und Quarantänenideologie 'Einfachheit' erklären und deren Heilsamkeit begründen, sind : 'Entschlackung', 'Entrümpelung', 'Befreiung von unnötigem Beiwerk und Ballast', 'Transparenz', 'niedrige Aufbauten', 'keine Extravaganzen' (flat tax, flat rate') etc., wobei natürlich viele der so Angesprochenen naiv das 'Einfache' beispielsweise mit dem Seichten verwechseln und das Grobe mit dem Optimierten, das Uniforme und Monologe, Monotrope mit Transparenz.
So - vorallem kollektiv - in Gang gebrachte oder geratene 'Vereinfachung' missrät zu Kahlschlägen, wie sie sog. 'Kulturrevolutionen' überall auf der Welt eigen sind. Dieser Prozess kann aber auch in Idividuen von diesen selbst als Überreaktion auf die Misserfolge vorangegangener Selbstüberforderung ausgelöst werden und ablaufen (Burnout, Resignation).
Die Neigung, das Einfache mit dem auf den ersten, spätestens auf den dritten Blick Über- bzw. Durchschaubare gleichzusetzen, ist nachvollziehbar und in verhängnisvoller Weise nur halbwahr. Das leicht Über- bzw. Durchschaubare ist ein besonders gefälliges und entsprechend leicht einleuchtendes (plausibles) Beispiel für das Einfache, ist aber ein eigentlich atypischer Sonderfall, wenn nicht gar ein nur scheinbarer Fall des Einfachen. Man begnügt sich nämlich für das Begreifen von Einfachheit mit den Kriterien der Über- und Durchschaubarkeit mit statisch (bzw. momentan statistisch) erfassten Zuständen bzw. Zustandsmerkmalen oder -grössen, nicht mit den dynamischen Prozessen, die die erfassten Zustände bedingen oder ihnenzusetzen.
Einfachheit wird ja gern in der Nachbarschaft oder Verschwisterung mit Ruhe gesehen und idealisiert - und Vieles, was über Ruhe - und deren Spannung zur Stille - zu sagen wäre, entspricht in mancher Hinsicht dem zum Wesen der Einfachheit zu Erwägenden und hängt damit zusammen.
Einfachheit ist nicht eine Frage der Über- und Durchblickbarkeit, sondern eine Frage des Gleichgewichts bzw. der Gleichgewichte, die sie (die Einfachheit) ermöglichen und erhalten.
Einfachheit steht und fällt mit dem Gleichgewicht, das sie ermöglicht und erhält. Das ist aber erst eine theoretische Aussage über eine ideale Einfachheit und sie gilt für die Absenz jeglicher Dynamik und anderer Gleichgewicht an sich störender Faktoren. Sie geht ferner davon aus, dass 'Einfachheit' in nahezu göttlicher Weise ewig und einzig sei. In Wirklichkeit stehen viele Arten von 'Einfachheit' zu einander in Konkurrenz und der Überblick über alle Arten des 'Einfachen' und über die möglichen Konflikte zwischen ihnen ist ausgerechnet alles andere als einfach.
'Einfachheit' fordert genauso ihre Tribute wie das angeblich 'viel zu Komplizierte'
'Einfachheit' wird immer erzwungen - entweder durch Beschränkung der Ansprüche oder durch zusätzlichen Aufwand.
Man nehme das Beispiel einer Bibliothek. Bei einem Stand von 10 Einheiten genügen dafür ein kleines Regal. Bei nur einem Benutzer bdearf es dazu weder eines Katalogs noch irgend einer Administration. Das ist wirklich überschaubar und entsprechend einfach - vorausgesetzt, der Platz für das Regal, die Werkzeuge für die Montage und auch das Geld dafür usf. seien vorhanden. Also schon bei harmlos erscheinenden Grundannahmen wird deutlich, dass 'Einfachheit' in der Regel auf Voraussetzungen sezt und gründet, deren Erfüllung als selbstverständlich vorausegesetzt wird und nicht danach fragt, wessen denn alles die Erfüllung dieser Voraussetzungen bedürfe. Genau für die Erfüllung der Voraussetzungen, worauf gepriesene 'Einfachheit' sich selbstgefällig gründet, interessieren sich die Propheten der 'Einfachheit' einfach nicht.
Schon bei zwei Benutzern der zum Modell genommenen Minibibliothek wird's ein bisschen komplizierter, wenn sie, wie es dem bisher einzigen Benutzer ohne weiteres möglich war, in keinem Augenblick den Überblick über alle Bücher verlieren wollen, d. h., von allen 10 Büchern immer genau wissen wollen, wo denn anderswo diejenigen, die gegenwärtig dem Regal entnommen sind, sich genau befinden. Wollen die beiden Benutzer das, braucht es die Einrichtung einer diesbezüglichen Verständigung darüber, etwa die Nachführung einer Liste, in der notiert wird, wo sich die Bücher befinden, die momentan nicht auf dem Regal stehen, evt. sogar, wann das Buch wieder auf das Regal zurückgestellt sein wird. Also, es wird entweder auf den Komfort verzichtet, den ein alleiniger Benutzer für sich geniessen kann oder die Beanspruchung der Bibliothek bleibt auf einen einzigen Benutzer beschränkt, oder sie wird turnusgemäss, abwechselnd je ausschliesslich einem der beiden Benutzer vorbehalten, oder es wird eine kleine Administration eingerichtet(was aber bereits den Aufwand einer entsprechenden Einigung und eine ebenfalls als Aufwand zu rechnende Disziplin und/oder Kontrolle erfordert).
Spielend kann mit diesem Modell die Zahl der Bücher, die Zahl der Benutzer und dann beides stufenweise gesteigert und gefolgert werden, wie einerseits die scheinbare Einheit der Idealvorstellung von 'Einfachheit' sich unter den verschiedenen Rollen und Mitwirkenden der inszenierten Bibliothek verästelt und wie Einfachheitsmodelle miteinander in Konkurrenz oder gar in Konflikt geraten. Wo immer 'Einfachheit' gepriesen oder gefordert wird, muss die Frage gestellt werden : 'Einfacher? - Für wen?'
Man kann durchspielen, wie wo und wann von wem entweder Verzicht geleistet oder Mehraufwand betrieben werden muss, damit das Ganze für alle Betroffenen einigermassen gleich 'einfach' bleibt. Man kann beobachten, wie mit dem Anwachsen der Bibliothek Komplikationen aktuell werden, die bei der kleineren in früheren Entwicklungsstadien kein Thema waren. Man wird früher oder später zum Punkt gelangen, wo Einfachheit für die Einen durch Bewältigung des Komplizierten durch die zu ganau dazu Fähigen und Willigen gewährleistet werden muss. Das erlebt man heute im Massstab 1:1 mit der Allgegenwart der IT und CT (Informations und Steuerungstechnik). Man erfährt dabei, wie sehr manche Vereinfachung durch extreme Abhängigkeit von den Spezialisten für das Komplizierte erkauft werden muss und erkauft wird. Das ist der kritische Punkt, wo das die Einfachheit gewährleistende Gleichgewicht gestört werden kann. (Dem Ideal wirklicher Einfachheit und wirklicher Kostenwahrheit sind ähnliche Abgrenzungsprobleme gemein).
Beschränkung auf das Überschaubare bedeutet nicht ohne weiteres einfachere i.S. von 'leichter fallende' Regulierung der Gleichgewichte.
Zur Illustration ein von jedermann nachvollziehbares Experimentchen. Es ist einfacher (aber nicht eigentlich leichter), einen langen und schweren Stock
als ein Streichholz aufrechtgestellt auf der Fingerspitze zu balancieren. Für das Streichholz bedürfte es einer Sensibilität, die kleinste Gewichtsverlagerungen wahrnimmt und die Reaktionen darauf feinstmotorisch steuert.
Gerade die Prediger von 'Einfachheit' hegen grosse Abneigungen gegen feinsinnige Unterscheidungen. Sie bevorzugen Befestigung oder dann Automatisierung vor nuancierender Balance, nennen das aber der Einfachheit halber und aus Abneigung gegen Nuancierung bzw. gegen 'Spitzfindigkeit' (Balance!) 'Sicherheit'. (In der Vorstellung, wo sich nichts unerwartet und unkontrolliert bewege, sich Sicherheit hergestellt).
Die Balance des grossen Stocks erfordert dafür mehr Kraft. Die 'einfache' Folgerung, je grösser der Stock, desto einfacher die Anforderung, ihn in Balance zu halten, ist nur beschränkt gültig. Ab einer bestimmten Grösse wird nämlich der Stock zu schwer. Anstelle des Problems mit der Sensorik und Motorik tritt das nicht minder schwierige Problem der Kraft.
In Wahrheit hängt eben die Balancierbarkeit nicht vor allem vom Gewicht ab, sondern von den Fähigkeiten, die das Verteilen von Gewicht bzw. Last (eben auch in übertragenem Sinne) erfordert. 'Einfachheit' setzt das Erkennen der Grenzen des Möglichen und die Fähigkeit, sich diesen Grenzen entlang zu bewegen, voraus. Und genau diese Aufgabe der Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen ist mit schüttelreimenden Faustregeln gerade nicht zu bewältigen.
Der Wunsch nach 'Einfachheit' ist im Grunde immer der Wunsch danach, von der Wirklichkeit geschont zu werden, wo einem die Grenzen, ihr standzuhalten, bewusst werden.
Darum gibt es geade die ewig einzige, auf einen gemeinsamen bzw. 'einfachen' Nenner reduzierbare Einfachheit nicht, schon gar nicht als Patentrezept.
Die für die Wirklichkeit zuständigen Kräfte bedauern, den auf Vereinfachung Hoffenden keinen positiven Bericht geben zu können.
Nashaupt - 5. Sep, 16:05