Ferienerinnerungen

Was tun Touristen eigentlich und was geschieht mit ihnen ?

Tourismus - eine unbegrenzte Unentrinnbarkeit
Damit, dass sich ein erwachsenes Individuum aus seiner einigermassen nach seinen selbst erkannten und bestimmten Bedürfnissen eingerichteten und kontrollierten, abfertigungsfreien Infrastruktur, die es sein 'Zuhause' nennt, für längere Zeit gänzlich hinaus in ein Gemenge fremdorganisierter und kontrollierter Infrastrukturen und Bedienungs- und Abfertigungsabläufe hineinbegibt, wird es unentrinnlich und rettungslos zum Touristen. (Kinder erleben das 'Zuhause' als fremdbestimmte Infrastruktur und Bedienungs- und Abfertigungsroutine. Die Urlaubskulisse erlaubt ihnen die Illusion eines Ausbrechens aus diesen Strukturen und Routinen. Die Voraussetzungen und Bedingungen dieses Tapeten- bzw. Kulissenwechsels und der Kulissen selbst sind ihnen noch nicht allgegenwärtig).
Die Verwandtschaft zwischen Arbeit und Urlaub offenbart sich schonungslos. Die Arbeitswelt ist der Urlaubswelt unerwartet näher als dem 'Zuhause', denn die Urlaubswelt ist nicht anders als die Arbeitswelt ein Konglomerat fremdorganisierter, -getakteter und -gelenkter Infrastrukturen und Abfertigungen und für ihre Anbieter knallharte Arbeits- und Erwerbswelt. Dasselbe gilt für die Welt der Kultur- und Kunstangebote und auch die Angebote für spirituell Parfümiertes sind davon in keiner Weise befreit, es werden dafür nur andere Sprachregelungen installiert.

Unklare Motive und unausweichliche Zwänge.
Als Zweck des Tourismus wird die Ermöglichung von Urlaubsangeboten aufgefasst und Urlaub wird angeblich gemacht, um sich zu erholen - aber wovon eigentlich und wozu?
Je beharrlicher diese Frage gestellt wird, desto deutlicher wird, dass Urlaub nicht eigentlicher Erholung, sondern der Flucht vor Entscheidungen dient, die das Leben grundlegend ändern würden. Die Unfähigkeit, solche Entscheidungen zu fällen ist auf eben die Zwänge zurückzuführen, denen auch aller Tourismus als Urlaubshilfe bzw. Fluchthelfer (Schlepper) unterliegt.
Die Bedingtheit standardisierter Perfektionsansprüche durch Infrastrukturen, Bedienungs- und Abfertigungsroutinen über- und durchzieht den unter solchen Bedingungen vergeblich gesuchten Ausgleich zur Erwerbs- und Arbeitswelt mit kunststoffgleich atem- und transpirationsbehindernden Schichten allgegenwärtiger Marketing- und Ergebniszwänge. Das kann nicht wesentlich und wirklich erholsam sein. Es wirkt bestenfalls vorübergehend entlastend, so wie man ein schmerzendes Gelenk durch eine Änderung der Körperhaltung entlasten, aber auch zur Angewöhnung einer an sich wiederum ungesunden Körperhaltung verleitet werden kann.
Die Bildungs-, Erziehungs- und Kulturpolitik bemühen sich um in jeder Hinsicht verbesserte Angebote und Leistungen, auch in der Zusammenarbeit mit der Tourismusbranche, geben sich aber wenig Rechenschaft, welche kultur- und sozialpolitisch subtil widersprüchlichen Eindrücke die Bedingungen für diese Verbesserungen bei Vielen durch sie 'Beglückter' bzw. davon Betroffener hinterlassen können.
Konsum jeder Art, und besonders für 'Entspannung' und 'Erholung' ist und bleibt Fortsetzung der Arbeit bzw. des Leistens mit andern Mitteln unter fortwährenden Bedingungen.

Kulissen und Statisten
Allen Tourismusangeboten gemein sind typische Kulissen. Das 'Typische' daran ist das Cliché für irgend eine weltanschauliche Verheissung einer Erfahrung oder eines Erlebnisses, das man gehabt haben müsse, um den Masstäben und Redensarten eben dieser Weltanschauung gemäss 'vollwertig' zu werden oder zu bleiben (das Leben gelebt oder gar genossen zu haben, ihm Sinn zu geben, etwas davon gehabt zu haben, oder dann, um 'erwachsen', 'welterfahren', 'glücklich' oder angeblich gar 'weise' zu werden, 'sich Selbst zu finden', sich einen Selbstwert anzulegen oder ihn zu bestätigen oder ganz einfach, um 'zu Hause' bestätigen zu können, dass man nun auch gesehen und erlebt, sich geleistet habe, was in Prospekten, Reiseberichten und Beschreibungen tausendfach so oder anders aufgedrängt oder vorgelogen wird).
Es spielt keine eintscheidende Rolle, welcher Art Verheissung und diese illustrierender Kulisse man als Tourist den Vorzug gibt oder auf den Leim geht. Man tritt in die Welt der individuell subjektiv bevorzugten Kulissen ein und übernimmt 'freiwillig' - jedenfalls naiv - in dieser Inszenierung von so oder anders 'heiler', 'lebenswerter', 'sorgloser', 'perfekter' oder 'alle Erwartungen über- bietender' Welt die Rolle eines eben diese Illusion bestätigenden Statisten und bezahlt erst noch dafür, abgestuft nach zur Zeit 6 offiziellen Klassen, alle Heucheleien 'zur Überwindung der Zweiklassengesellschaft' bloss stellend.

Vielklassengesellschaft
Im Tourismus wird die übermässig ungleiche Spleissung der Anteilhabe an den Ergebnissen gebündelter Arbeitsleistung nicht nur diskret ausgeformt, sondern beinah kultisch zelebriert. Die obersten Luxusklassen beruhen auf zunehmend aussondernden Preisunterschieden, in gleichzeitig abnehmendem Masse auf objektiv messbar grösserer oder besserer Leistung der Anbieter. Die Hauptleistung wird dort nicht von den Anbietern sondern von den Gästen durch höhere Bezahlung erbracht. Sie beruht auf garantierter Abschirmung der Insassen durch prohibitive Preise gegen das gemeine Volk, das sich den Ritualen kollektiver Reisen anschliesst ('Buspeople') oder - oberhalb der offiziellen Luxusklassierungen - gegen die Vasallen, die sich im Karrierewettbewerb der oberen Kader dem - oft launenhaften - Leistungsvergleich ihrer Bosse aussetzen müssen statt auf Protektion durch ihre Kaste zählen zu können.

Illusionsspiele
Aber auch als 'einfacher' und 'alternativer' Tourist lässt man sich bedienen bzw. will man sich einbilden, bedient zu werden, unberührt davon, ob alle zur Bedienung Beitragenden zu menschenwürdigen Bedingungen arbeiten, unbeirrt auch davon, wie umweltgerecht die Gesamtheit der von ihm beanspruchten Infrastrukturen - einschliesslich Verkehrswege - errichtet und betrieben werden, genauso wie man auch als Arbeitnehmer und Erwerbstätiger nur sehr eingeschränkt und ungefähr eine Ahnung davon und Einfluss darauf hat, wie die kollektiven Infrastrukturen effektiv geplant, politisch gefällig gemacht, errichtet und betrieben werden.
Als Tourist kann man sich selbstgefällig und verantwortungslos in die einem 'zu Hause' grossen Teils abgesprochene Cäsarenrolle versetzen, für den Anbieter den Daumen gönnerisch nach oben oder vernichtend nach unten zu wenden und sich - vor allem beim Pauschalarrangement, wo man ja ohnehin nicht mehr aussteigen kann - darüber hinwegtäuschen, dass das auf die Bedingungen des Gebotenen keinerlei Einfluss hat, weil auch die Konkurrenz eben diesen unterliegt.

Der Tourist erhält die Ferien, die er verdient
Aber die Bedingungen dafür, was er im Urlaub erhalten kann, schafft der Tourist mit seinem Verhalten zu Hause, beim Entwurf seines Lebens, bei der Definition seiner Ansprüche - und seiner Verzichte - also dessen, was für ihn nicht in Frage kommt, dessen, was für ihn Qualität bedeutet oder eben nicht, am Arbeitsplatz, in der Erwerbswelt und als Mitwirkender in Erziehung, Bildung, Kultur und Politik.
Daran gerade, dass er für das, was ihn in seinen Ferien, in seiner Freizeit, bei seiner Suche nach Kultur erwartet, mitverursachend und mitverantwortlich ist, will der Tourist möglichst nicht erinnert werden und für diese Gefälligkeit des Systems bezahlt er vor allem.
Als Tourist bezahlt man in allen Klassen zuviel für eingebildeten Ausgleich von Mankos, die das Leben 'zu Hause' belasten; man bezahlt für wohlfeile und bequeme Kompensation von Defiziten, die man sich durch weitgehend selbst zu verantwortende Disproportionierung eigener Erwartungen an das Leben geschaffen hat und weiter schafft.
Das Individuum findet am Ferienziel oder Urlaubsort, was es zu Hause gelernt, geschaffen und gewirkt. Es hat sich aber bei Antritt der Reise fest vorgenommen, dafür so blind zu sein, wie das der für das Angebot bezahlte Preis erlaubt. Entsprechend schön muss dann der Urlaub auch gewesen sein.
Einhandsegler - 1. Okt, 22:08

Als Urlauber möchte ich vor allem etwas anderes sehen und hören als in der Firma oder in meiner alltäglichen Umgebung. Ich mache seit Jahren Reisen mit meinem Boot. Das wichtigste dabei ist für mich das Reisen an sich und die Möglichkeit jeden Tag an einem anderem Ort zu sein.
Neue Orte kennenzulernen, andere Leute zu treffen, sich zwanglos unterhalten und wieder auseinander zu gehen. Einfach nur Abschalten.

Nashaupt - 2. Okt, 21:45

Einhandsegler! - Genau so ist es Urlaub ...

... und kein Tourismus. In dieser Art, wie vom Eihnadsegler praktiziert, ist einer Urlauber und kein Tourist.
Keine Ähnlichkeit mit dem Administrator

Ultra Fines Officiorum - Ausser Rand und Band

Nashaupt's 'Programm'

Die Unparteilichkeit der Logik ist nicht die einzige aber die unab- dingbarste Gewähr für die Freiheit des Denkens. ---------------------------------------------------------------------- Niemand hat Anspruch darauf, die Prämissen (Vorbedingungen) des Denkens für Andere zu bestimmen. ---------------------------------------------------------------------- Beim Streit um Prämis- sen geht es zweifellos immer und ausschliess- lich um Macht, nie um Einsicht ---------------------------------------------------------------------- Einzelheiten siehe im Beitrag NASHAUPT'S PROGRAMM 'auf dieser seite https://nashaupt.twoday.net/ index : stories/1234793/

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