Die ersten Bananenoasen auf Schweizer Boden

Die Sekte und ihre Gegner
Der Vorstoss der Ultra-Volksrechtler, der politischen Gemeinde bedingungslose Letztinstanzlichkeit in Einbürgerungsfragen zuzuerkennen, löst nicht nur ausserhalb der territorialen sondern auch der weltanschaulichen Horizonte dieser einzig "echten" und "aufrechten" Demokraten teils Belustigung, teils Kopfschütteln aus.
Die Belustigten und Kopfschüttler fühlen sich dabei erhaben über "Hinterweltler", die irgendwo zwischen 19. Jhdt und offiziellem Ende des 2. Teils des Welkriegs stehen geblieben seien.
Dass viele von ihnen selber in ihrem Beruf, als Unternehmer, Künstler, Banker, Wissenschaftler, Ärzte, Priester, Pfarrer, Dozenten, Lehrer, Financiers und Pseudostrathegen in mancher Hinsicht ebenfalls an Vorurteilen und Irrtümern, an Kitsch und Sentimentalitäten jener "fern" zurückliegenden Zeiten haften geblieben sind und so bedenkenlos Vorbilder eines von "kristalliner (in 'Wissen' erstarrter) Intelligenz organisierten Denkens sind, fällt für sie ausser Betracht.
Sie meinen, den Cybergothics und der Sciencefiction entlehnte, mit der Chicagoschule abgeglichene Stilelemente ihrer Ideologieen machten ihre verkrusteten Schöner-Wohnen- und Besserwissenskulte zukunftstauglich.
Gewollt oder ungewollt geben sie aber mit den Überheblichkeiten, Rechthabereien und Schummeleien, die sie sich in ihren Domänen des Besserwissens, Besserseins und Besserlebens erlauben, Vorbilder und Legitimationen (nach dem populärdemokratischen Motto unbedachter "Gleichberechtigung": "Die (andern) dürfen und machen das ja genau so!") für weltabgewandte, wirklichkeitsfeindliche, sentimentale und entsprechend unnütze politische Ziele ab.

Die Ultra-Volksrechtler vergessen völlig, dass die Gemeindeautonomie durch eine Eidgenossenschaft erreicht und gewährleistet ist und aus dieser wesentliche Ressourcen für ihre Selbstbehauptung bezieht, und dass dies nur möglich und auch legitim bleiben kann, wenn sich die Gemeinde in sämtlichen Dingen auch dem Ordre Public Eidgenössischer Prägung einfügt, insbesondere sich gegenüber den Grundsätzen der Kantonsverfassung und der Bundesverfassung gegenüber nicht widersetzt oder diese gar unterwühlt.

Anders, als beim Verein nach den Bestimmungen des ZGB, dessen Generalversammlung über Aufnahme und Ausschluss von Mitgliedern entscheidet, ist die Existenz einer Gemeinde von vornherein durch die Verfassung eines Kantons und - durch diesen vermittelt - durch die Verfassung der Eidgenossenschaft bedingt und anerkannt. Aber selbst ein Verein kann sich keine interne Ordnung und Regelungen geben, die zwingendem Bundes- und Verfassungsrecht widersprechen. Umso mehr muss dies für die Gemeinden gelten.

Dass es kein unbedingtes Recht (bzw. kein Grundrecht) auf Einbürgerung gibt, bestätigt, dass es ein bedingtes Recht auf Einbürgerung gibt. Diese Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Einbürgerung zulässig ist, sind gesetzlich geregelt. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, der vom Willkürverbot in wesentlichen Teilen bestätigt wird, begründet die Erfüllung der Voraussetzung einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung.
Überdies ist keine Gemeinde berechtigt, das Bürgerrecht abzusprechen. Warum also soll sie berechtigt sein, es trotz Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen seitens des Antragstellers zu verweigern?
Das Willkürverbot ist zwingendes Recht und unbegründete Entscheide sind zwingend als Willkür aufzufassen, gleichgültig, wer sich Willkür anmasst.
Eine Mehrheit, die ein Recht auf Willkür für sich beansprucht, pflegt keine Demokratie (rechtsgebundene Volksherrschaft) sondern ergötzt sich an Ochlokratie (Selbstherrlichkeit der gewissen- und hemmungslosen Masse).

Die Sekte der Volksrechte Predigenden beruft sich auf die Gewaltenteilung und missachtet sie in deren eigenmächtigen Auslegung.
Sie masst sich unter Berufung auf die Volksrechte die Auslegung gesetzten Verfassungsrechts an, die aber nach dem Gewaltentrennunsprinzip der Justiz vorbehalten ist. Daraus, dass in keinem Gesetz steht, dass es einen Anspruch auf Einbürgerung gebe, folgert sie ohne Rücksicht auf die Gepflogenheiten zivilisierter Rechtsanwendung kurz- und trugschlüssig, es gebe keinerlei Rechtsanspruch auf Einbürgerung, bleibt aber die Erklärung schuldig, wozu denn die Bedingungen überhaupt formuliert und gestellt sind, unter denen eine Einbürgerung zulässig ist. Immerhin steht auch nirgends in diesen Bedingungen ausdrücklich, dass ihre Erfüllung keinen Anspruch auf Einbürgerung begründe. Es ist aber ebenfalls willkürlich, das Fehlen einer ausdrücklichen Aussage in einer Gesetzesregel als schlüssig, in einer anderen gleichzeitig als belanglos zu behandeln. Solche Fragen sind Fragen der Rechtsauslegung und nicht mehr der Politik, weil die Politik seinerzeit über das nun vorliegende Recht entschieden hat und dessen Anwendung nun unwiderruflich in die Kompetenz der Justiz übergegangen ist und die braucht sich von der Legislative ganau so wenig in ihr Handwerk pfuschen lassen - und was sich die Sekte der Volksrechte Predigenden leistet, ist ein blamabler Pfusch - wie die Legislative von der Justiz in das ihre. Es ist halt ein bisschen komplizierter und anspruchsvoller, Recht auszulegen und anzuwenden, als "Recht" nach Lust und Laune zu hinzukleckern.

Die politischen Niederungen
Dass beachtliche Teile der sog. 'einfachen' Bevölkerung der Verführung durch reine Sentimentalität rat- und hilflos erliegen, ist eine Tatsache, gibt aber den Verführern nicht Recht.
Es gibt auch Stimmen aus dem 'einfachen Volk', die den Unsinn einer Letztinstanzlichkeit und Alleinkompetenz in einer einzigen, von den Verführern missbräuchlich emotional ausgesuchten Frage, durchschauen.
In Gemeinden ab einer bestimmten Grösse kennt der Stimmbürger die zur Einbürgerung vogeschlagenen Bewerber gar nicht und kann er daher nur rein willkürlich und zufällig entscheiden, wodurch sein Stimmrecht zum reinen Willkürinstrument wird. Das führt zu einer politisch und verfassungsrechtlich höchst bedenklichen Entwertung statt zur von den Ultra-Volksrechteeiferern verheissenen Aufwertung des Stimm- und Wahlrechts.
Kommt die Frage hinzu, wie es eigentlich zu rechtfertigen ist, dass kein als Schweizer Geborener (selbst dann, wenn er sich vor seiner Volljährigkeit sehr ungünstig entwickelt und vielleicht den Behörden bereits einige Mühen verursacht hat und unfähig geblieben ist, sich in seiner Muttersprache korrekt und fehlerfrei auszudrücken) sich einem Einbürgerungsverfahren stellen muss, während einem tadellosen Ausländer, den Niemand kennt, da er wegen optimaler Assimilation gar Niemand aufgefallen ist, die Einbürgerung verweigert werden kann, bloss weil sein Name Misstrauen erweckt - eine wirklich grossartige Leistung des sich über Recht und Rechtsprechung erhaben erklärenden Volkswillens!
Die Unmöglichkeit, effektiv eine Stimme bzw. Willenserklärung für oder gegen die Einbürgerung eines Unbekannten abzugeben (und es soll ja ein Volkswille und kein Volksgefühl in der Abstimmung zum Ausdruck kommen!) wird auch von gegenüber diesen Ultras Loyalen bestätigt.
Diese Loyalisten plädieren für eine letzinstanzlich entscheidende Einbürgerungskommision, bleiben aber die Rechtfertigung dieser Letztinstanzlichkeit schuldig. Gewiss haben die in diesem Geiste eingerichteten Einbürgerungskommissionen bisher vorbildlich einwandfreie Arbeit geleistet; dies unbestreitbar auch, um wenigstens bei den Kurzsichtigen und nicht genau hinsehenden Gutgläubigen die letzten Bedenken gegen die letztinstanzliche Kompetenz der Gemeinden in Einbürgerungsfragen zu beseitigen.
Es wird so getan, als ob sowohl die Zusammensetzung dieser Kommisionen als auch deren Arbeit auf alle Zeiten hinaus gegen verfassungsrechtlich zweifelhaften Machtmissbauch gefeit seien. Das ist aber konkret ohne jede Überprüfbarkeit ihrer Arbeit in keiner Weise gesichert, ganz besonders, weil ja diese Letztinstanzlichkeit aus selbstgerechten Heimatgefühlen gefordert ist und diese und sonst Nichts als diese befriedigen und ihnen huldigen soll. Ein so begründeter Anspruch auf letztinstanzliche Machtvollkommenheit ist rechtsmissbräuchlich, sittenwidrig und verfassungswidrig. Er ist mit dem Wesen von Demokratie und Recht elementar unvereinbar.
Kommt hinzu, dass auch die politisch einwandfrei gewählte und gewissenhaftest arbeitende Instanz sich einmal in folgenschwerer Weise irren kann. Zu allermindest müsste also ein Revisionsverfahren möglich sein und dieses müsste wiederum rechtsstaalichen Mindestanforderungen genügen. Man kann's drehen und wenden wie man will. Die Willkürvollkommenheit einer Instanz ist und bleibt mit Rechtsstaatlichkeit unvereinar, ganz besonders in Angelegenheiten, wo eben nicht nur über gemeinschaftliche Interessen, sondern zugleich auch über Individuen entschieden wird, die - ohne dass die Entscheidenden dafür auch nur die geringste Verantwortung tragen sollen - für die Betroffenen Einzelnen von existentiell schicksalhafter Tragweite sein können.
Kein anständiger Mensch kommt je auf den Gedanken, sich solche Macht über einen unbescholtenen, ihm überdies nicht einmal bekannten Menschen anzumassen. Woher denn kann die schon nur moralische, geschweige denn die rechtliche Rechtfertigung dafür kommen, dass, was kein anständiger Mensch sich zutraut und sich anzumassen wagt, sich eine Vielzahl anständiger Menschen zutrauen dürfe, die keineswegs besser über den Antragsteller Bescheid weiss als der einzelne ? Wird denn multipliziertes Unwissen auf wundesame Weise zu für eine sinnvolle und beachtliche Willensbildung tauglichem Wissen? Wenn es ein solches Wunder gibt, dann ist es allein durch Mystifizierung eines angeblich unfehlbaren Volkswillens plausibel gemacht. Dieser Verführungstrick hat sich schon vor "Tausend Jahren" mit für Millionen Menschen verheerende Weise bewährt!

Gefühle sind launisch und daher mit der Rechtsstaatlichkeit, zu der sich die Gemeinden als Bundesgenossen der Kantone und der Eidgenossenschaft unabdingbar verpflichtet haben, unvereinbar, sosehr das schmerzen mag. Gefühle begründen per se keine Rechte, sondern es ist Sache des Einzelnen, diese mit den Grundsätzen geltenden Rechts zu bändigen, so weit sie sein Verhalten gegenüber seinen gleichberechtigten Rechtsgenossen bestimmen. Das ist der Wesenskern der "Selbstverantwortung", für die viele Gläubige der Volksrechtesekte in anderen Zusammenhängen eifrig missionieren.

Die Volksrechtesekte pocht darauf, dass es keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einbürgerung gebe. Es wurde bereits erörtert, dass genau das eher dafür statt dagegen spreche, dass es statt dessen einen bedingten Anspruch auf Einbürgerung sehr wohl gebe und dass gerade diese Bedingtheit ein rechtsförmiges Verfahren erfordert, um rechtlich umgesetzt zu werden. Es gibt aber vor all dem auch keinen grundrechtlichen Anspruch auf Willkür aus nationalen Gefühlen. Und ob es ein Grundrecht auf Gefühls- und Heimatduselei einer momentanen erregten Mehrheit gebe, ist nicht erörtert.
Dagegen ist aber der Anspruch auf rechtliches Gehör ein in heutiger, moderner Rechtskultur nicht nur ein verfassungsrechtlicher, sondern ein grundrechtlicher und elementar menschenrechtlicher. Der Schutz der Minderheiten ist ein Postulat, das auf der Beobachtung und Erfahrung beruht, dass eben Mehrheiten diesen gegenüber sich leicht zu barbarischer Willkür hinreissen lassen können. Der Einzelne ist eine Minderheit gegenüber der Mehrheit.

Die Glorifizierung des Volkes als Quelle über alle übrigen Gewalten und korporativen Elemente erhabenen Rechts ist welt- und wirklichkeitsfremd, sektenhaft und totalitär.
Die Schaffung neuen, zu bestehendem in Widerspruch tretenden Rechts, ohne die Kraft und den Willen, diese Widersprüche zu überwinden, steht in krassem Gegensatz zu dieser Glorifizierung und ist in höchstem Grade politisch fahrlässig und unverantwortlich. Die Sekte der Volksrechte Predigenden ist keine Oppositions-, sondern in Wahrheit eine Spalt- und VerführerPartei.

Das Argument, das Schweizer Bürgerrecht sei eine Weltbesonderheit, kann nur einer masslos nationalistischen Verblendung entspringen und zeugt von totaler Blindheit der über ihre Besonderheit Entzückten gegenüber den Bedingungen des Mensch Seins unter Bedingungen global wirkender Kräfte.
Die Dynamik aller Art von Kriminalität ist überdies grenzüberschreitend und Nationen übergreifend und kann zuletzt mit Einbürgerungspolitik wirksam beeinflusst werden. Wer also aus Angst vor Kriminalität sich Willkür im Entscheid über Einbürgerungen ausbedingt, wird von der Wirkung seines Willkürrechts im besten Fall sehr bald ernüchtert sein. Wer aber hofft, die Konkurrenz um seinen Arbeitsplatz mit der Einbürgerungsinitiative zu Gunsten von Schweizer Arbeitnehmern einschränken zu können, wird nicht minder ernüchtert sein. Die Menge hochqualifizierter Arbeitskräfte, die die Schweizer Wirtschaft benötigt, die Schweizer Gesellschaft aber nicht aus eigener Kraft allein wird hervorbringen können, wird eher durch Zuwanderung aus dem Ausland denn aus den Kreisen der überheblichen und selbstgerechten Heimatschwärmer ergänzt werden.
Die Annahme der Einbürgerungsinitiative wäre ein klassischer und unübertrefflicher Schildbürgerstreich, durch den tatsächlich das Schweizer Bürgerrecht in den Rang eines Weltunikums gehoben würde, den es sich zuvor nicht hätte zuweisen lassen müssen.
Der Verzicht auf den Anspruch auf Willkür aus Nationalstolz mag einige für kurze Dauer schmerzen. Die Preisgabe der Rechtsstaatlichkeit und der Loyalität der Geimeinden dieser gegenüber wird weit mehr schmerzen und unabsehbare Folgen für den Rechtsstaat und damit für die Demokratie haben.

Die Ultra-Volksrechteeiferer werben auf ihrer Abstimmunskampfseite mit "Schweizer Qualität". Den eigentlichen Vorlagetext sucht man dort vergeblich. Die ersten Bananenoasen auf Schweizerboden spriessen.
Keine Ähnlichkeit mit dem Administrator

Ultra Fines Officiorum - Ausser Rand und Band

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